„Leider sind Technik und Erfinden keine Schulfächer“:
Prof. Dr. Jens Schneider wünscht sich, dass kreatives Entwickeln und naturwissenschaftliche Praxis auf dem hessischen Lehrplan eine prominentere Rolle spielen würden. Denn der Vizepräsident der TU Darmstadt (TUD) weiß, dass die großen Herausforderungen der Zukunft ohne engagierte Nachwuchsforscher kaum zu bewältigen sind.
Umso mehr freute er sich über die 16 Oberstufenschüler*innen, die sich in der vergangenen Woche intensiv mit einemder elementaren Themen der nächsten Jahrzehnte beschäftigt haben: der Energiewende.
Es ging um nachhaltige Lösungen, alternative Technologien und innovative Konzepte für die Welt von morgen: beim 31. Erfinderlabor des Zentrums für Chemie (ZFC) waren auch diesmal wieder jeweils acht Ausnahmeschülerinnen und -Schüler aus ganz Hessen mit dabei, um im engen Dialog mit Wissenschaftlern im professionellen Umfeld zu experimentieren und ihre Ergebnisse dann verständlich und lebendig einem größeren Publikum zu präsentieren.
Die Abschlussveranstaltung hatte am Freitag aufgrund der aktuellen Situation erneut im virtuellen Format stattgefunden. Doch auch auf der Online-Bühne machten die jungen Forscher eine hervorragende Figur.
Übertragen wurde das Finale aus dem Sitz des Unternehmerverbands Südhessen in Darmstadt. Die vier Tage zuvor verbrachten die Schüler*innen in den Laboren des Instituts für Materialwissenschaft an der TUD, um sich in vier Teams mit anspruchsvollen wissenschaftlichen Komplexen zu beschäftigen.
Am Ende gab es das geballte Lob der Profis: Prof. Dr. Lambert Alff (Fachgebiet Dünne Schichten) betonte das hohe Niveau der Abschlusspräsentationen, Gregor Disson, Geschäftsführer vom Verband der Chemischen Industrie (VCI) in Hessen war von der gelungenen Teamarbeit begeistert. „Das war eine straff organisierte Arbeitsteilung wie im industriellen Umfeld.“ Auch Tanja Scharnhoop von der Landesenergieagentur Hessen attestierte den bunt gemixten Arbeitsgruppen eine homogene Gemeinschaftsleistung: „Ihr habe euch hier erstkennengelernt, und habt doch mit einer Sprache gesprochen – der Sprache der Wissenschaft.“
„ZFC steht für Wissenstransfer und Nachhaltigkeit“
ZFC-Vorstand Dr. Thomas Schneidermeier, der Erfinder des Erfinderlabors, verwies auf die enge inhaltliche Verbindung der eigenen Projekte mit den 17 Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen (UN): „Das ZFC steht für Wissenstransfer und Nachhaltigkeit.“ Neben der thematischen Fokussierung gehe es bei dem Workshop darum, die Teilnehmer bei der Entwicklung einer individuellen Bewertungskompetenz zu unterstützen. Dieser Ansatz spiegelt sichauch im neuen ZFC-Format „Frag die Minties“, bei dem Erklärvideos von den
Studierenden und ehemaligen Erfinderlaborteilnehmer*innen Benjamin Kunkel, Selina Müller, Pablo del Rio und Joelina Gärtner im MINT-Bereich (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik) als Ergänzung zu den vom ZFC passgenau entwickelten Unterrichtssequenzen für Lehrer produziert werden.
„Ich erkenne heute ein wichtiges Zeichen der Zuversicht und der Inspiration“, so Dr.
Thomas Eberle, der beim Wissenschafts- und Technologieunternehmen Merck in
Darmstadt unter anderem für Bildungspartnerschaften im Bereich der Naturwissenschaften zuständig ist. In schwierigen Zeiten wie diesen mit einer andauernden Pandemie und einem folgenschweren Krieg in Osteuropa sei es umso wichtiger, dass sich die junge Generation mit grundsätzlichen Fragen für eine bessere Zukunft auseinandersetze, so Eberle, der selbst lange in der stark interdisziplinär geprägten Materialforschung gearbeitet hat. Das Thema Nachhaltigkeit sei auch in den Wissenschaften allzu lange vernachlässigt worden. „Das holen wir heute nach. Zum Beispiel mit einem hervorragenden Format wie dem Erfinderlabor.“
Die Teams gingen der Frage nach, ob und wie sich Solarzellen selbst reinigen können, um mehr Energie zu erzeugen, oder wie die Batterie von morgen aussehen muss, um die Reichweiten zu erhöhen und so die Mobilitätswende voranzubringen. Auch die Rolle des Wasserstoffs als energetische Alternative wurde untersucht. Andere Schüler*innen verglichen klassische Klimaanlagen mit Varianten, die von rotierenden Magneten betrieben werden und ohne ökologisch problematisches chemisches Kältemittel auskommen. Fazit des Teams: Eine
effiziente Technologie, die aber aufgrund ihrer aufwändigen Herstellung noch keine
Ideallösung darstellt. Hier muss weiter geforscht werden. Aber auch der Bau eines
Lithium-Ionen-Akkus gehörte zum kleinen Einmaleins der jungen Wissenschaftler,
die auch einen prominenten jungen MINT-Kollegen überzeugt habe.
Schüler wie diese sind nicht nur unsere Zukunft, sondern auch unsere Hoffnung“, so
Dr. Thomas Eberle (Merck) zum Abschluss des 31. Erfinderlabors. Der nächste
Workshop findet vom 11. bis 15. Juli in Marburg zum Thema „Erneuerbare Energien
und Wasserstoff“ statt.
Das Erfinderlabor ist eine Workshop-Reihe des Zentrums für Chemie (ZFC). Seit
2004 entwickelt und organisiert der gemeinnützige Verein in Kooperation mit Schulen, Hochschulen, Unternehmen, Verbänden, Stiftungen und Ministerien Projekte, um über die Vermittlung einer naturwissenschaftlichen Grundkompetenz hinaus gesellschaftlich relevante Themen wie Klimaschutz, Energiewende und Ressourceneffizienz in den Unterricht der MINT-Fächer Chemie, Physik, Mathematik, Biologie und Informatik zu integrieren und mit klassischen Unterrichtsinhalten zu verzahnen. Damit sollen fachliche Grundlagen für eine individuelle Meinungsbildung ermöglicht und Perspektiven für neue Berufsfelder konkret vermittelt werden.
Das Erfinderlabor ist Teil der ZFC-Initiative „Schule 3.0 – MINT for Future“. Ziel ist
eine bessere berufliche Orientierung von Schülern im MINT-Umfeld mit den verzahn-
ten Disziplinen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik durch eine
Einbindung gesellschaftsrelevanter naturwissenschaftlich-technischer Themen in
den Regelunterricht.
